Beitrag von Thomas Meuter (Public Relations Dynamit Nobel Defence)
Gewichtsoptimiert, weitreichend und skalierbar
Die Fallschirmtruppe der Bundeswehr stellt seit Jahren immer wieder Kontingente für internationale Einsätze, so auch im Rahmen des fast 10 Jahre laufenden ISAF-Einsatzes in Afghanistan. In diesem schweren Einsatzumfeld, haben sich die Fallschirmtruppe und ihre Soldaten in hervorragender Weise bewährt und ihren militärischen Auftrag erfällt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Kampfhandlungen, die die Fallschirmjäger bestehen mussten, bei denen Soldaten gefallen sind. Die besonderen geografischen Verhältnisse des Landes, die asymmetrischen Bedrohungen und der sehr komplexe militärische Auftrag der ISAF-Truppen in Afghanistan stellen die Fallschirmtruppe vor eine nicht einfach zu läsende Aufgabe. Hinzu kommen die zahlreichen Bedrohungen, die von militärisch professionell ausgefährten Hinterhalten, über Sprengfallen bis hin zu Scharfschätzenbedrohungen reichen und in vieler Hinsicht militärische Einsetze zu einem sehr schwierigen Unterfangen machen. Eine direkte Folge aus den vergangenen Einsatzerfahrungen war es, die militärische Ausrüstung in den Bereichen Führung, Schutz und Wirkung deutlich zu verbessern. Doch der Zulauf und die Einführung neuer militärischer Technologien für die Truppe ist ein beschaffungspolitischer Vorgang, der seine Zeit dauert und nicht immer sofort umgesetzt werden kann. Dennoch wurden in der Vergangenheit einige Modernisierungen im Bereich der Ausrüstung vollzogen, die den Soldaten besser vor den Gefahren im ISAF-Einsatz schätzen.
Doch trotz einer bereits angelaufenen Modernisierungs- und Verbesserungswelle gibt es noch in sehr vielen Bereichen Ausrüstungsdefizite und Fähigkeitslücken bei der deutschen Fallschirmtruppe, die dringend geschlossen werden müssen, damit die Soldaten in der Zukunft durchsetzungsfähig bleiben und bedrohungsgerecht im Einsatz ausgerüstet sind.
Geschützter Transport von Fallschirmjägern
Die Fallschirmjägertruppe wird in Afghanistan nicht mit Hubschraubern ins Einsatzgebiet verbracht, sondern erreicht die befohlenen Einsatzräume ausschliesslich mit Hilfe von gepanzerten Transportfahrzeugen. Bewegungen der Truppe im längeren Fussmarsch sind aus Sicherheitsgründen und aufgrund der vorherrschenden Gefahren nicht möglich. Bei den Fahrzeugen handelt es sich meist um den Transportpanzer FUCHS A8, den DINGO 2 und das gepanzerte Fahrzeug EAGLE IV. Alle diese Fahrzeuge sind gegen die Detonationswirkung von Landminen, Beschuss aus Scharfschützengewehren und gegen Sprengfallen gut geschützt und haben sich im Einsatz sehr bewahrt. Mit Hilfe dieser gepanzerten Fahrzeuge sind die Fallschirmjäger schnell beweglich und künnen zusätzliches Ausrüstungsmaterial für den Einsatz mitzuführen. Ferner kann der FUCHS A8 mit dem Panzerabwehrlenkflugkörper MILAN bestückt werden, um gegebenenfalls damit aus einer Entfernung von 1.850 Metern unterstützend in einen Kampf eingreifen zu künnen. Ebenso ist auch die Einrüstung einer Granatmaschinenwaffe 40 mm auf dem FUCHS möglich, mit der ebenfalls eine abgesessene Truppe wirkungsvoll unterstützt werden kann. Gleiches gilt für den DINGO und den EAGLE, die eine 40 mm Granatmaschinenwaffe oder ein MG 3 auf ihrer Waffenstation mitführen künnen. In frühren Einsatzsätzen kamen auch noch der Waffenträger WIESEL 1 mit einer 20 mm Maschinenkanone oder der WIESEL 1 mit dem drahtgesteuerten Panzerabwehrlenkflugkörper TOW 2 B zum Einsatz. Trotz der hohen Beweglichkeit des Kettenfahrzeugs WIESEL 1 und den beiden starken Bewaffnungsvarianten mit Maschinenkanone und Panzerabwehrlenkflugkörper, verfügt das Luftlandefahrzeug nicht über einen Minenschutz und nur über eine sehr leichte Panzerung gegen Infanteriewaffen. Dies schliesst den Einsatz dieser beiden Waffenträger in vielen Szenarien aus. Die Fallschirmjäger sind von ihrem Kampfauftrag und auch von ihrer Fähigkeit im Orts- und Häuserkampf und bei Tag und Nacht effektiv eingesetzt zu werden, für bestimmte militärische Aufgaben in Afghanistan sehr gut geeignet. Hinzu kommt, dass die Fallschirmtruppe eine Eliteeinheit mit einem besonderen Korpsgeist ist, die es zudem gewohnt ist, sich in schwierigen militärischen Lagen, zu bewähren.
Ausrüstungsforderungen für schwere Handwaffen
Doch der Afghanistan-Einsatz verlangt aufgrund der Bedrohungslage, des taktischen Vorgehens und der Kampfweise der Taliban eine moderne und sehr effektive militärische Ausrüstung für die eingesetzten deutschen Soldaten. Eine wesentliche Rolle kommt dabei leichten, weitreichenden und skalierbaren (einstellbaren) schweren Handwaffensystemen zu, deren Gefechtsköpfe über eine deckungsbrechende und hinter der Deckung wirkende Eigenschaft verfügen. Diese müssen leicht bedienbar, in den Abmassen sehr kompakt ausgelegt sein, um in Hubschrauber oder Kampffahrzeugen verstaut werden zu künnen und über eine hohe Kampfreichweite verfügen. Darüber sollten die Handwaffensysteme leicht mit Zielhilfen, wie Nachtsichtoptiken oder Laserpointer ausgerüstet werden künnen, um die Ersttrefferwahrscheinlichkeit nochmals deutlich zu erhöhen. Diese militärische Forderung resultiert aus den gemachten Erfahrungen internationaler Truppen, die insbesondere in einem Urban Warfare-Szenarion (Kampf im bebauten Gelände) gemacht worden sind. Ferner müssen die neuen handgehaltenen Waffensysteme sehr präzise und in der Wirkung skalierbar (einstellbar) sein, um mögliche Kollateralschäden, so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Eine heute unabdingbare technische Forderung an neuen Handwaffensystemen für den infanteristischen Gebrauch.
Während in der Vergangenheit schwere schultergestützte Rohrwaffensysteme überwiegend für die Panzerabwehr beschafft und eingesetzt worden sind, hat sich das Spektrum der zu bekämpfenden Ziele im Rahmen eines Urban Warfare gänzlich geändert. Bei diesem Konfliktbild werden hinter Deckungen wirkende und deckungsbrechende Handwaffen benötigt, um dem Fallschirmjäger eine Feuerkraft zur Verfügung zu stellen, die bisher bei Handwaffen nicht möglich ist. Gerade der Afghanistaneinsatz belegt, wie stark urbane Strukturen sein künnen, hinter denen sich ein Gegner erfolgreich verschanzen kann. Häufig sind dort Lehmwände zu finden, die bis zu 80 cm dick sind und selbst Beschuss von schweren Infanteriewaffen widerstehen. Auch Hohlladungsgefechtsköpfe von Panzerabwehrlenkflugkörpern verfügen über nicht genügend Wirkung, um hinter einer dicken Lehmwand einen ausreichenden Effekt zu erzielen. Gleiches gilt für mit Stahlbeton befestigte oder gehärtete Stellungen, die zurzeit nur schwer für abgesetzte Infanteristen zu bekämpfen sind. Gegen dieses Zielspektrum künnen nur Handwaffensysteme erfolgreich eingesetzt werden, die genügend Wirkung haben, um zum einen die Deckung aufzubrechen und um danach noch hinter der Deckung wirken zu künnen. Dies erfordert eine völlig neue Technologie, die über eine hohe Wirkung und Treffgenauigkeit verfügt sowie in der Wirkung skalierbar ist. Dies ist mit dem Waffensystem RGW 90 AS möglich, welches bei NATO Streitkräften bereits eingeführt ist. Die RGW 90 AS gehört zu der Handwaffenfamilie RGW 90, die mit unterschiedlichen Gefechtsköpfen von DND entwickelt und an verschiedene Nationen ausgeliefert wurde.
RGW 90 – Eine Familie von universell einsetzbaren Handwaffen
Entwicklungsziel für die RGW90 Familie war es, eine präzise, kompakte und wirkungsvolle Dual Mode-Handwaffe bereitzustellen, die ein maximales Gewicht von unter 10 kg haben sollte. Die RGW 90 wurde mit einem im Rohr befindlichen 90 mm durchmessenden Hohlladungsgefechtskopf versehenen, um eine ausreichende Durchschlagskraft in Panzerstahl zu gewährleisten und andererseits Gewicht zu sparen. Die weniger als einen Meter lange und als Einwegwaffe ausgelegte RGW 90 ist für Kampfentfernungen bis 400 Meter geschaffen und verfügt über einen besonderen Gefechtskopf, der eine technische Kombination aus einem Spreng (HESH)- und einem panzerbrechenden (HEAT) Gefechtskopf ist. Diese Kombination macht die RGW 90 für MOUT- oder asymmetrische Gefechtsszenarien zu einem durchsetzungsfähigen und leichten Waffensystem für Infanterie- oder Spezialeinheiten. Mit der RGW 90 künnen gehärtete Ziele, wie Feldunterstände, Sandsackbunker, Scharfschützenpositionen, Panzerabwehrstellungen oder Panzer erfolgreich bekämpft werden. Hinzu kommt, dass damit auch Beton- und Mauerwände sowie Deckungen durchschossen werden künnen, hinter denen sich ein Gegner verschanzt hat. Hierzu wurde ein 90 mm Gefechtskopf entwickelt, der über einen einfachen Mechanismus (ausziehbares Abstandsrohr am Gefechtskopf) auf HESH- oder HEAT-Wirkung vor dem Abschuss durch den Schützen eingestellt werden kann. Benötigt der Soldat zum Bekämpfen eines Ziels die panzerbrechende Wirkung, so zieht dieser einfach ein Abstandsrohr (Spike) aus dem RGW 90-Gefechtskopf heraus. Der Spike sorgt im ausgefahrenen Zustand für einen ausreichenden Abstand des Hohlladungsgefechtskopfs, wenn dieser auf dem Ziel aufschlägt. Hierdurch wird der optimale Abstand zwischen der auftreffenden Hohlladung und dem Ziel gewährleistet, damit sich der Hohlladungsstachel in seiner panzerbrechenden Wirkung optimal entfalten kann. Die Monohohlladung der RGW 90 durchdringt 500 mm Panzerstahl. Damit ist die RGW 90 gegen Kampfpanzer zur seitlichen Bekämpfung einsetzbar. Der 2,5 kg schwere Gefechtkopf eignet sich ebenso zur effektiven Bekämpfung von befestigten oder teilgehärtenden Unterständen, Kellereingängen oder MG-Stellungen. Um die HESH-Funktion der RGW 90 zu aktivieren, verbleibt der Spike im Gefechtskopf und damit wird der Zünder in einen Verzögerungsmode geschaltet. Ist der HESH-Mode aktiviert, künnen betonierte und gemauerte Wände durchschlagen und darin grosse Löcher geschossen werden. Wird die RGW 90 gegen Sandsackbunker, gehärtete Feldstellungen oder gegen künstlich aufgeschättete Deckungen verschossen, werden diese nachhaltig zerstört. Diese hohe Waffenwirkung macht die RGW 90 zu einem sehr effektiven und bedrohungsangepassten Waffensystem für den Orts- und Häuserkampf sowie gegen asymmetrische Bedrohungen aller Art. Mit der fest angebauten Zieloptik und der ergonomisch ausgewogenen Konstruktion wird eine hohe Ersttreffwahrscheinlichkeit ermöglicht. An die Optik künnen Laser-Zielhilfen oder Restlichtverstärker montiert werden. Die Flugzeit des flügelstabilisierten und permanent angetriebenen Gefechtskopfs beträgt für 300 Meter nur 1,2 Sekunden, wodurch auch bewegliche Ziele mit hoher Treffsicherheit bekämpft werden künnen. Der Verschuss ist wegen des verwendeten Davis-Kanonen-Prinzips aus geschlossenen Räumen mit der RGW 90 für den Schützen gefahrlos möglich. Die RGW 90 ist leicht zu bedienen und verfügt über eine geringe Abschusssignatur, so dass der Schütze nicht vorzeitig durch Rauch oder einen lauten Abschussknall entdeckt werden kann.
Anti-Struktur-Munition für Durchbrüche
Ein weiterer Aspekt, der bei Urban Warfare- oder MOUT-Missionen (Military Operations in Urban Terrain) immer wieder durch militärische Kräfte gefordert wird, ist Verfügbarkeit neuer Anti-Struktur-Munitionen, die es ermöglichen, kleinere Gebäude, befestigte Kampfstände in urbanen Räumen oder gehärtete Sandsackbunker bekämpfen zu künnen. Bisher konnte dies nur unter zu Hilfenahme von Rohrwaffensystemen der Artillerie oder anderer schwerer Waffensysteme ermöglicht werden. Artillerieschläge sind im Kampf im bebauten Gelände nur bedingt möglich, da deren Einsatz zu grosse Kollateralschäden nach sich zieht. Dynamit Nobel Defence nahm sich dieses Themas an und entwickelte auf der Basis der RGW 90-Handwaffe eine hoch wirksame Antistrukturmunition gegen hochfeste und strukturelle urbane Ziele im Kaliber 90 mm. Die neue Handwaffenkonstruktion erhielt die Bezeichnung RGW 90 AS (Anti Structure), wurde als Einwegwaffe ausgelegt und mit einem speziellen Wirkmechanismus versehen, um das genannte urbane Zielspektrum bekämpfen zu künnen. Zum Zielspektrum, für welches die RGW 90 AS konzipiert wurde, gehören Gebäude oder umbaute Räume, in denen sich Scharfschützen oder Panzerjagdkommandos befinden künnen. Die RGW 90 AS ist als starke Anti-Strukturwaffe entwickelt worden, die einen besonderen Tandemgefechtskopf besitzt und ein ähnliches Funktionsprinzip wie die bei der Bundeswehr und niederländischen Armee eingeführte Bunkerfaust aufweist. Bei der RGW 90-AS kann der Schütze jedoch zwischen zwei verschiedenen Gefechtskopfmodi auswählen: Mousehole- oder Blasteffekt. Mit Hilfe dieser Funktionen kann der Schütze entweder ein grosses Loch in eine Wand schiessen, um später durch dieses Loch in das Gebäude eindringen zu künnen oder den Mode für eine maximale Wirkung hinter der Deckung des angegriffenen Ziels wählen. Der Funktionsmode wird durch die Drehung eines in der Spitze des Gefechtskopfs eingelassenen Knopfs ausgewählt. Der RGW 90 Gefechtskopf ist so konstruiert, dass dieser aus zwei Ladungen besteht, wobei die Nachschussladung mit unterschiedlichen Verzögerungszeiten ausgeläst werden kann, die mit Hilfe des Drehknopfs eingestellt wird. Wählbar ist eine kurze oder eine längere Verzögerungszeit mit der die Nachschussladung nach Detonation der Bohrladung gezündet wird. In dem ersten Mode zündet die Nachschussladung mit kurzer Verzögerung nachdem die Bohrladung die Zielstruktur durchschlagen hat in dem Moment, in dem sie sich gerade in der Struktur befindet. Dabei ist die Explosionskraft so gross, dass durch die erhebliche Blastwirkung in dem getroffenen Zielobjekt ein grosses Loch (Mousehole) entsteht. Beim zweiten Mode kann der Schütze eine lange Zündverzögerung einstellen, so dass die Nachschussladung erst nach Durchtritt durch das von der Bohrladung des Gefechtskopfes der RGW 90 AS geschlagene Loch hinter der Struktur/Wand und damit im Raum dahinter zündet. Diese deckungsbrechende Funktion ermöglicht die Bekämpfung von allen urbanen Strukturen, von schwer befestigten militärischen Stellungen oder von Bunkern. Befinden sich Ziele hinter einem schützenden Mauerwerk, so wirkt die Blast- und die damit verbundene Sekundenwirkung noch zusätzlich auf das bekämpfte Ziel mit ein. Die Unterschiede dieser Waffe zur Bunkerfaust bestehen in der deutlich leichteren und kompakteren Bauweise, in der Doppelfunktion (deckungsbrechend und Wirkung hinter Deckung) und der verstÃäkten Blastwirkung der Nachschussladung im Vergleich zur Splitterwirkung bei der älteren Bunkerfaust. Durch das deckungsbrechende Prinzip künnen auch Löcher in armierten Beton geschlagen werden, wobei die Armierung bei der Explosion entfernt wird, und es künnen Durchbrüche in bis zu 80 cm dicke Lehmwände geschaffen werden.
Durch die Wahlmöglichkeit der Funktionsarten ist auch eine Skalierbarkeit der Waffenwirkung gegeben: im Mousehole-Mode ist die Wirkung hinter der Deckung auf ein Minimum beschränkt, die volle Gefechtskopfwirkung entfaltet sich erst im Blast-Mode.
Ausblick
Die RGW 90 AS gehärt heute zu den stärksten und leistungsfähigsten Handwaffen in ihrer Klasse. Die kompakten Masse, das günstige Gewicht und die skalierbare Leistung, machen dieses Waffensystem zu einer guten Wahl für Luftlandetruppen. Die RGW 90 AS trägt in den neuen Urban Warfare-Szenarien massgeblich zur Stärkung der Kampfkraft von Infanteriegruppen bei, die in urbanen Räumen ohne Panzer- oder Luftunterstützung operieren müssen. Die RGW 90 AS ist heute für eine modern ausgerüstete Armee ein entscheidendes und sehr wirksames Mittel, welches eine Fähigkeitslücke schliessen kann, die es noch in vielen Streitkräften und insbesondere bei Luftlandetruppen innerhalb der NATO gibt.
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